Jörg von Bargen: Alsterrausch

- Rezensionen -



Noch längerem Aufenthalt im Kosovo kehrt der 32iährige Fabian Hilpert nach Hamburg zurück. Grausames, Erschütterndes und Gefährliches hat er dort erlebt. Nun wird er bei der Hamburger Mordkommission arbeiten. Entspannt schlendert Hilpert durchs Bahnhofsviertel, genießt eine Currywurst und leistet sich ein paar Bierchen. Aber dann erlebt diese Beschaulichkeit ein jähes Ende. Er beobachtet eine Gruppe junger Leuten, die wild gestikulierend vor zwei Männern stehen und sie offensichtlich zu bedrohen scheinen. Kurz entschlossen tritt Hilpert dazwischen, die Angreifer suchen das Weite. Silke Volkert, Stephan Schlage, seine Verlobte Christina Werner und Tom Bartels sind erleichtert und wollen am nächsten Tag in der Davidswache ihre Aussage machen. Der große, ausgesprochen teuer gekleidete Tom Bartels ist der einzige, der sich allein auf den Weg nach Hause macht. Er muß nur noch rasch sein Auto aus dem nahe gelegenen Parkhaus holen. Hilpert hingegen begleitet Silke Volkert nach Hause, die - was für ein wunderbarer Zufall - in ihrem Haus eine Wohnung zu vermieten hat. Genau das braucht Hilpert jetzt!

Es scheint für Hilpert in Hamburg also ein guter Neustart zu werden. Doch der Schein trügt. Am nächsten Tag erfahrt der Kommissar, daß ausgerechnet Tom Bartels, der am Vorabend besonders selbstbewußt und stark gewirkt hatte, im Parkhaus erschossen worden ist. Damit ist Hilpert mitten in einer Mordsache gelandet, die ihm nur noch wenig Zeit läßt, sich mit der Vergangenheit im Kosovo auseinanderzusetzen.


Das Mordopfer wohnte in einer ehrwürdigen Jugendstilvilla in Hamburg-Othmarschen, einem Nobelviertel Hamburgs. Wie sich bei den Ermittlungen herausstellt, war das Mordopfer alles andere als ein gebildeter und zielstrebiger junger Mann. Im Gegenteil: Er war in Drogengeschäfte mit der ortsansässigen Mafia verwickelt. Immer schon feierte er gerne und exzessiv. In der Kellerbar seiner Eltern gab es ständig neben Unmengen an Alkohol und Drogen auch andere Vergnügungen, denen das Söhnchen aus reichem Hause nachging. Besonders reizte es ihn, unbedarfte junge Mädchen aus seiner Schule zu den Feten einzuladen. Wahrend die anderen Gäste tanzten und sich vollaufen ließen, nahm er sie mit in seinen Privatwohnbereich, um sie dort zu »vernaschen«. So ergeht es auch der 14jährigen Susi Teichmann, die aus familiären Verhältnissen stammt, die nicht konträrer zu denen von Tom sein können. Die ungebildeten Eltern leben von der Sozialhilfe und reihen jeden Abend in der schmuddeligen Wohnung die leer getrunkenen Bierflaschen vor sich auf.

Hamburg ist, wie dieser packende Kriminalroman »Alsterrausch« von Jörg von Bargen zeigt, schon ein heißes Pflaster, in dem die sozialen Gegensätze, aber auch das internationale Verbrechen und die örtlichen Behörden aufeinanderprallen. Nicht genug, daß Hilpert nun in der Mordkommission alle Hände voll zu tun hat - es tauchen plötzlich gefährliche Gestalten aus dem gerade verlassenen Kosovo auf, die mit dem Kommissar noch eine Rechnung offen haben.

Dieser Stoff verspricht Spannung pur und gleichzeitig einen Blick auf eine Jugend, die sich entsetzlich langweilt. Die Kinder reicher Eltern, die in diesem Thriller Abwechslung und den ständigen Kick suchen, leben ausschließlich ihren Egoismus aus. Aber weil sie alles haben, müssen die Reize immer stärker sein. So ist »Alsterrausch« nicht nur atemberaubende Unterhaltung, sondern auch ein Stück bedenkenswerte Sozialkritik in sehr guter Verpackung!


Maria Panzer
Lesart 1/12